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27.02.2015

Vom Zuckerhut und rostigen Bohrhaken

Das gesamte Jahr 2014 hat sich bei mir immer wieder um den ‚Cerro Torre’ gedreht – vom Kinostart im März, über Filmfestivals auf der ganzen Welt, bis hin zur Rückkehr nach Patagonien zum Jahresende. Vor genau dieser neuerlichen Patagonien-Reise und nach der Präsentation meines Films beim Banff Mountain Film Festival in Kanada hab ich einen Zwischenstopp in Brasilien eingelegt - liegt ja quasi am Weg und Rio de Janeiro ganz wunderbar am Strand. Ein bisschen Klettern und dazwischen ein paar Wellen surfen, das stand in den gut zweieinhalb Wochen auf dem Programm.

Felipe Camargo, ein langjähriger Kletterfreund aus Wettkampfzeiten und derzeit wohl einer der stärksten brasilianischen Sportkletterer, hat mir in einer feinen Gegend von Rio eine Unterkunft organisiert. Von dort ging es zuerst jeden Tag an den Strand. Mit dem Surfboard unter dem Arm eine halbe Stunde durch die Stadt zum erstbesten Beachbreak, dem von Barra da Tijuca. Weißer Sandstrand, lässige Wellen und – was ich natürlich nicht wusste – ein sehr fordernder Surfspot. Jede Menge Weltcupsurfer paddeln hier durchs Weißwasser und feilen an ihrer Form. Und dann war da noch ich, mittendrin und beinahe chancenlos, eine vernünftige Welle zu reiten. Spaß hatte ich dennoch jede Menge, auch wenn ich an diesen Tagen am eigenen Leib erfahren durfte, dass die Finne eines Boards durchaus scharfkantig ist und man nicht in den Boxring steigen muss, um sich einen Zahn auszuschlagen. Aber aufgeben tut man bekanntlich nur einen Brief (und selbst den schickt man heutzutage per Mail).

Da es bei mir natürlich nicht ganz ohne Kletterei geht, habe ich gemeinsam mit Felipe auch zwei Routen in Angriff genommen, die ich unbedingt klettern wollte. Zuerst mit ‚Southern Comfort’ einen echten Klassiker. Die Route liegt gleich unter dem Zuckerhut, direkt am Meer. Sie wurde 1987 von der Kletterlegende Wolfgang Güllich eröffnet und galt lange Zeit als die schwerste Sportkletterroute in Südamerika. Perfekter orangefarbener Granit, der direkt aus dem Wasser wächst. Der grob 20 Meter lange Riss klettert sich zudem traumhaft. Eine wirklich einzigartige Route…

Climbing in Brazil

Die zweite Tour nennt sich ‚Atalho do Diablo’ und ist eine Mehrseillängenroute auf den weltberühmten Corcovado. Wenn der Teufel am Weg zur Christusstatue eine Abkürzung nehmen will, dann kann es dabei schon mal knackig werden. Die Route gilt nicht ohne Grund als die schwierigste ihrer Art in Brasilien, erst ein Mal wurde sie frei geklettert. Über acht Seillängen führt sie durch meist schwarzen Granit direkt zur Christus Statue. Oft ist die Absicherung spärlich, und die Kletterei ist gerade in den plattigen Längen äußerst komplex.

Unser Plan war es, sie an einem einzigen Tag frei zu klettern. Die übliche Herangehensweise umfasst mindestens zwei Tage, also eine Übernachtung auf einem Podest gut 400m über den Straßen von Rio. Unser Vorhaben hat sich aber schon ab dem Zustieg durch den Dschungel als schwieriger herausgestellt, als anfangs angenommen. Vor allem wegen der tropisch-feuchten Hitze. Wir mussten bis 12 Uhr Mittags, bis die Sonne nicht mehr die Wand aufheizt, warten. Dann sind wir eingestiegen.

Die erste Seillänge ist kaum erwähnenswert – eine lange, strukturlose Platte mit nur vereinzelten, rostigen Bohrhaken. Vom Stand führt die Route dann weiter über einen Riss in eine überhängende Wand, die mit unzähligen Quarzkristallen übersäht ist. Diese Passage hat sich, wie vermutet, als die Schlüsselstelle herausgestellt. Ich habe sie zuerst probiert und dann auch im zweiten Versuch gleich geschafft. Felipe, der sich ein paar Tage zuvor leicht am Handgelenk verletzt hatte, stieg die dritte Seillänge ohne größere Probleme durch und führte uns in etwas flacheres Gelände. Wir dachten, dass unser Projekt damit schon ziemlich ‚gegessen’ sei und kletterten zügig Seillänge um Seillänge weiter.

In der Abenddämmerung erreichte ich den vorletzten Standplatz und übergab mein Klettermaterial an Felipe. Er stieg in die allerletzte Seillänge ein, doch es ist ihm nicht gelungen, sie auf Anhieb sturzfrei zu durchklettern. Mittlerweile war es fast schon dunkel. Wir standen unter Zeitdruck, hatten wir doch keine Ausrüstung mit zum Biwakieren und auch keine Stirnlampen dabei. Felipe übergab die Führung wieder an mich, doch ich habe gleich bemerkt, dass an freies Klettern bei der Dunkelheit und in dieser komplexen Platte nicht mehr zu denken war, deshalb entschied ich mich über die Bohrhaken hoch zu ziehen. Doch unser Abenteuer sollte noch nicht so schnell enden.

Ich war nur knapp zehn Meter unter dem Ausstieg der Route als einer der Haken, an denen ich mich hochzog, abbrach. Noch nie zuvor ist mir so etwas passiert, doch die salzige Luft, die vom Meer aufsteigt, lässt die Bohrhaken in Rio innerhalb kürzester Zeit rosten – bis sie nicht mal mehr meine 60kg halten. Während ich durch die Dunkelheit segelte, habe ich lediglich gehofft, dass die nächste Sicherung in einem etwas besseren Zustand ist und meinen Sturz halten würde. Ich wurde zum Glück nicht enttäuscht und so war ich froh, als Felipe und ich dann die von den Touristen längst verlassene Aussichtsplattform unterhalb der Christus Statue erreicht hatten.

Wir haben einen Tag Pause gemacht, den abgebrochenen Bohrhaken ausgetauscht und sind die letzte Seillänge frei geklettert. Unser Abenteuer ist zwar nicht ganz nach Plan verlaufen, doch wie auch bei meinen Expeditionen sind es oft die unvorhersehbaren Zwischenfälle, die auch kleineren Projekten ihre Würze verleihen.

Climbing in Brazil

Kurz vor der Abreise nach Patagonien ging es dann noch nach Sao Paolo, wo die Brasilianische Meisterschaft im Vorstiegsklettern ausgetragen wurde. Felipe hatte mich motiviert mitzumachen und obwohl das Thema Wettkampf zu meiner Vergangenheit gehört, war es wieder einmal spannend Hallenluft zu schnuppern und sich an Kunstwänden zu messen. Nachdem ich alle drei Routen durchgestiegen bin, wurde mir zwar nicht die Brasilianische Staatsbürgerschaft angeboten, aber der ex aequo Sieg mit Felipe war ein gelungener Abschluss des Trips.

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