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21.05.2018

Ein letztes Winter-Solo vor dem Frühling

Route Nordpfeiler Hohe Kirche im Valsertal

Bevor es im April plötzlich mehr oder weniger Sommer wurde, kostete ich am 24. März noch einmal die winterlichen Bedingungen aus. Mit dem Nordpfeiler der Hohen Kirche gelang mir eine weitere Erstbegehung im Valsertal, diesmal allein.

Der Nordpfeiler der Hohen Kirche – sie ist ein Gipfel im Kamm der Sagwand, aber mit 2.634 Metern deutlich niedriger als diese – war mir schon im Dezember 2013 aufgefallen, als ich die Nordverschneidung erstbeging. Im Winter darauf hatte ich einen ersten Versuch mit Ben Lepesant gestartet, den wir aber nach sechs Seillängen abbrechen mussten. Diesmal hatte Ben schon etwas anderes vor, und so brach ich allein auf. Bei perfekten Bedingungen konnte ich bis zum Einstieg mit den Skiern aufsteigen. Die ersten 200 Meter ging es relativ einfach hinauf, über kurze Aufschwünge, wo ich ein bisschen klettern musste, ansonsten war Schneestapfen angesagt. Diesen Teil kletterte ich seilfrei. Dann folgten zwei Seillängen über steile, fast senkrechte Granitplatten, aus denen immer wieder einmal ein Grasbüschel herauswuchs, in dem ich den Pickel versenken konnte und einen guten Halt fand. Danach zieht die Route eine Seillänge nach rechts, dann wieder nach links und nach oben. Die Schlüsselseillängen kommen im oberen Wanddrittel.

Insgesamt hat die Route neun Seillängen, oben hinaus geht es noch rund 100 Meter über das Gipfelschneefeld. Am Anfang dachte ich, es sei eine nette Tour, die ich dem einen oder anderen Kollegen empfehlen kann, aber leider stellten sich die letzten beiden Seillängen als sehr ungut heraus.

Dort ist es nicht mehr ganz so steil, nur noch kurze senkrechte Aufschwünge, aber überall liegen große Blöcke herum, die ineinander verkeilt sind. Ich musste vorsichtig um sie herumklettern und wollte sie auf keinen Fall berühren – ein Gelände, das ich wirklich niemandem empfehlen will. Der Fels ist dort oben anders, schiefriger und nach unten geschichtet, einfach keine schöne Kletterei mehr.

In den anspruchsvollen Seillängen verwendete ich eine Selbstsicherung. Üblicherweise fixiere ich dafür ein Seilende am Stand und gebe mir rund 5 Meter Seil aus, knüpfe einen Mastwurf hinein und hänge ihn bei mir ein. Wenn ich die 5 Meter ausgeklettert bin, gebe ich mir wieder 5 Meter Seil aus. Auf diese Weise kann ich Zwischensicherungen einhängen. Die Methode ist etwas zeitaufwendig: Wenn ich am oberen Stand angekommen bin, muss ich mich ablassen, das Material herausnehmen, das untere Seilende lösen und wieder aufsteigen.


Solo zu klettern ist definitiv noch einmal eine andere Erfahrung, intensiver. Ich kann mich noch gut erinnern, als ich am Lunag Ri allein war: Ich hatte ein anderes Gefühl von Ausgesetztheit. Das kann sehr spannend sein. Aber ich muss mich in dem Gelände wohlfühlen und viel Sicherheitsreserve haben, ich muss weit von meinem klettertechnischen Limit entfernt sein. Die Sicherheitsreserve war auch der Grund, warum ich den Nordpfeiler technisch geklettert bin. Ich würde ihn mit M4 A1 einstufen, und ich denke, mit M6 wäre er frei zu machen. Aber mit den Steigeisen diese recht ausgesetzte Platte zu queren, das stand für mich nicht dafür, das wollte ich in dem alpinen, teilweise brüchigen Gelände einfach nicht riskieren. Noch stärker als sonst ist es beim Soloklettern entscheidend, realistisch zu beurteilen, was man sich bei den gegebenen Verhältnissen zutraut – permanent abzuwägen, ob man das klettern kann und ob man das absichern kann.

Film zu den ereignisreichen Expeditionen am Lunag Ri und Davids Versuch im Alleingang

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