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22.02.2017

Bis ans Limit am Lunag Ri

Interview von Ben Lepesant

David Lama ist zurück vom Lunag Ri, dem 6.907 Meter hohen, noch unbestiegenen Berg in Nepal. 2015 war er mit seinem amerikanischen Kletterpartner Conrad Anker knapp gescheitert. Die Beiden hatten sich bei ihrer ersten gemeinsamen Himalaya-Expedition bereits gut ergänzt und wollten es im Spätherbst 2016 erneut versuchen. Sie waren optimistisch, dass es beim zweiten Anlauf klappen würde. Es sollte eine Expedition mit wenigen Unbekannten werden. Es ging darum das Projekt zu Ende zu bringen, doch dann kam alles anders...

Wie war die Neuauflage der Lunag Ri Expedition mit Conrad Anker?

Da wir ja bereits letztes Jahr knapp gescheitert waren, glaubten wir ziemlich genau zu wissen, was auf uns zukommt. Jetzt wo ich wieder daheim bin, kann ich sagen, dass das eine grobe Fehleinschätzung war.

Nach einer problemlosen Akklimatisierungsphase stiegen Conrad und ich entlang der selben Linie wie im Vorjahr ein. Wir wollten in drei Tagen auf den Gipfel klettern und planten einen weiteren Tag am Berg für den Abstieg. Anfangs lief alles perfekt. Ich stieg vor und Conrad kletterte mit dem schwereren Rucksack nach. Auf ungefähr 5.700 Metern Höhe fiel mir dann aber auf, dass etwas nicht mehr stimmte. Conrad wurde immer langsamer und als er den Standplatz erreichte, musste er sich sofort an den Fels lehnen und klagte über starke Schmerzen im Brustbereich.

War er höhenkrank?

Eine Höhenkrankheit konnten wir anhand der Symptome relativ rasch ausschließen. Conrad wollte anfänglich durchbeißen und eine Nacht lang abwarten. Aber weil die Schmerzen so gravierend waren habe ich in Richtung Abstieg gedrängt. Als wir dann das Advanced Basecamp erreichten, ging es Conrad immer noch nicht besser. Deshalb setzten wir den Notruf ab und ein Helikopter flog Conrad circa zwei Stunden später aus.

Wie ging es mit euch weiter?

In Kathmandu stellte sich heraus, dass Conrad einen Herzinfarkt
erlitten hatte, und er wurde sofort operiert.
Ich bin im Basecamp geblieben.

Und schlussendlich hast du den Berg dann im Alleingang versucht.

Kurz vor seinem Abflug sagte mir Conrad, dass er nicht mehr zum Lunag Ri zurückkehren wolle und ließ mir somit die Option offen, es alleine zu versuchen.

Ich bin alles bis ins letzte Detail im Kopf durchgegangen und habe mir eine faire Chance gegeben, auf den Gipfel zu kommen. Drei Tage später bin ich dann in der Nacht losgegangen und über eine direktere Linie eingestiegen.

Wie war der erste Tag in der Wand?

Ich kletterte über steile Schnee- und Eisflanken seilfrei bis unter den Nordwestgrat. Am frühen Nachmittag fand ich dann einen geeigneten Biwakplatz. Ich war auf ungefähr 6.200 Meter, also fehlten mir nur noch rund 700 Höhenmeter auf den Gipfel, aber ich wusste, dass das Gelände schwieriger werden würde und auch die zunehmende Höhe würde die Kletterei anstrengender machen.

David Lama, Conrad Anker, Lunag Ri

Also konntest du dein Tempo nicht halten. Wie verlief dein zweiter Tag am Berg?

Ich bin gegen 2 Uhr Früh gestartet und kletterte die ersten paar Hundert Meter in völliger Dunkelheit. Als es langsam zu dämmern begann war ich bereits am Nordwestgart und das Gelände wurde immer schwieriger und diktierte den Rhythmus: Solo klettern ist nicht gleich solo klettern: Solange man komplett ungesichert klettert kommt man schnell voran. Sobald man allerdings anfängt sich selbst zu sichern wird es komplex und man wird gezwungen jeden Meter doppelt zu machen.

Wie kann man sich das vorstellen? Wie genau sichert man sich selbst?

Das Ende des Seils wird am Standplatz fixiert, beim Vorstieg ist das "Sicherungsgerät" am Gurt des Kletterers, und man gibt sich selber Seil. Sollte man stürzen, würde das Sicherungsgerät blockieren, damit würde man so weit stürzen als wäre man gesichert. Wenn man nach dem Vorstieg Stand macht, muss man wieder abseilen den unteren Stand abzubauen und dort den Rucksack zu holen. Dann klettert man, am nun fixierten Seil gesichert, hoch und nimmt die vorher im Vorstieg verwendeten Sicherungen wieder mit. Dann geht’s wieder im Vorstieg weiter. Es gibt keine Pausen in der sonst der sonst der Partner etwas tun würde. Man ist ständig am Schuften.

Wie ging es dir dann, als du im zweiten Biwak angekommen bist?

Ich hatte einen Zustand von völliger Erschöpfung erreicht. Ich war zwar nur noch 250 Meter unter dem Gipfel, aber ich musste mir eingestehen, dass es nicht mehr weiter ging – weder vorwärts, noch rückwärts. Ich habe mein Zelt dann auf ein kleines Schneepodest direkt am Grat gestellt und die Nacht dort verbracht. Am nächsten Morgen begann ich mit dem Abstieg. Auch der gestaltete sich mühsam und langwierig. Nach ein paar Stunden setzte ziemlicher Stein- und Eisschlag ein und ich musste warten bevor ich in der Nacht weiter abseilte.

Ärgert es dich, erneut gescheitert zu sein?

Natürlich wäre ich gerne auf dem Gipfel gestanden, aber es läuft eben nicht immer alles genau so, wie man sich das vorstellt. Durch Conrad’s Herzinfarkt ergaben sich Umstände, die keiner vorhersehen konnte und der Solo-Versuch war eine tiefgreifende Erfahrung. Am Ende war ich nur froh wieder unten zu sein.

Wie geht es Conrad jetzt und hast du vor nochmal zum Lunag Ri zurückzukehren?

Conrad geht es nach der Herz-Operation wieder gut. Er klettert schon wieder, aber sagt selbst, dass es für ihn an der Zeit ist sich von so anspruchsvollen Expeditionen zu verabschieden.

Ich werde im Herbst wieder nach Nepal fliegen, aber nicht zum Lunag Ri, sondern wieder zur Annapurna III, einem Berg den ich letztes Jahr im Frühjahr versucht habe. Der Lunag Ri ist nicht eines dieser ganz großen, für unmöglich gehaltenen Alpinrätsel, aber über die letzten zwei Jahre und vor allem nach der letzten Expedition hat er für mich immer mehr an Reiz gewonnen und ich kann mir gut vorstellen ihn nochmal zu versuchen.

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