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18.10.2011

Erstbegehung Cerro Kishtwar 6155m

05.09. Kurz nach Mitternacht komme ich am Flughafen in Delhi an. In der großen Eingangshalle warten bereits meine beiden schweizer Partner, Stef Siegrist und Denis Burdet. Auch unser Kameramann Rob Frost und der Fotograf Stefan Schlumpf sind schon da.

06. – 08.09. Um sieben Uhr in der Früh steigen wir in den Bus, der für die nächsten drei Tage unser Gefängnis wird. Die Hitze ist erdrückend. Wir vertreiben uns die Zeit damit, einen Film nach dem anderen anzusehen, bis alle unsere Laptop-Akkus leer sind. Von Delhi fahren wir in das nicht einmal 600km entfernte Jammu. In Europa würde die Busfahrt wahrscheinlich nicht länger als sechs Stunden dauern, aber wir sind nicht in Europa – wir brauchen rund 17 Stunden.

Am nächsten Morgen geht es weiter nach Kishtwar – 230km, 8 Stunden – und am darauf folgenden Tag nach Gulaghab. Keiner von uns möchte noch wissen, wie viele Kilometer wir heute gefahren sind oder wie lange wir unterwegs waren. Wir steigen aus.

09. – 11.09. Fast 20 Jahre lang war diese Region im Kashmir-Himalaya vergessen. Politische Unruhen machten es einem unmöglich die unzähligen Fünf- und Sechstausender zu erreichen. Entlang der Straße, von Kishtwar nach Gulaghab gab es einige Militärposten und unendlich viel Stacheldraht, aber keine Probleme. Wir fühlen uns sicher und starten bereits früh am Morgen in das Tal, das von den Einheimischen „Saphire Valley“ genannt wird. Riesige Schaf- und Ziegenherden entgegnen uns. In den Dörfern, in denen Muslime, Hindi und Buddhisten friedlich miteinander wohnen, werden wir auf heißen Tschai eingeladen und nach drei Tagen erreichen wir endlich unser Basecamp.

14.09. Nach einer Erkundungstour über den gewaltigen Gletscher, war uns klar, dass wir unser Basecamp näher zum Berg verschieben müssen. Wir haben Esel organisiert, die unser Material höher transportieren und wir richten unser neues Basislager auf über 4000 Meter Seehöhe ein.

15. – 23.09. Der Monsun ist für dieses Jahr vertrieben und das Wetter scheint langsam besser zu werden. Es schneit immer weniger und an manchen Abenden bleibt es sogar trocken. Unser Klettermaterial tragen wir rechts vom großen Gletscherbruch vorbei, bis wir auf rund 4800m auf die linke Seite queren. Auf dieser Seite bleiben wir dann, bis wir unser ABC, das Advanced Basecamp, erreichen. Unter einer Felswand bauen wir eine kleine Plattform aus Steinen. Gerade groß genug für zwei Zelte. Beim Anheben der schweren Steinplatten wird uns schwindelig und die Kopfschmerzen werden stärker. Wir sind das erste Mal auf über 5000m und unsere Körper lassen es uns spüren.

Wir schlafen im ABC und am nächsten Morgen transportieren wir das restliche Material herauf. Morgen steigen wir wieder ab und machen ein paar Tage Pause im Basislager.

26.09. Die zwei Tage Pause im Basecamp haben uns gut getan. Mit unseren leichten Rucksäcken steigen wir in nur fünf Stunden in unser ABC auf. Morgen Vormittag werden wir noch einmal mit Charly Gabl, unserem Wettergott aus Innsbruck telefonieren und dann in die Wand einsteigen.

27.09. Wir starten über ein langes Schneefeld und gelangen dann in kombiniertes Gelände. Der Fels ist schlecht und die 40cm Neuschnee, die bei unserer Ankunft gefallen sind, haben sich nicht gesetzt, sondern sich aufgebaut, was das Stapfen unglaublich anstrengend macht. Stef steigt vor während Denis und ich das schwere Haulbag nachziehen. Erst gegen halb neun am Abend erreichten wir das Plateau, neben dem Gletscherabbruch, auf dem wir unser Camp I einrichten.

28.09. Früh am Morgen steigt Denis über das 400m lange Schneefeld bis ungefähr in die Wandmitte hoch. Dann folgen zwei anspruchsvolle Seillängen im Fels und dann die Erkenntnis: 150m rechts von uns befindet sich eine logische und wunderschöne Eislinie, die bis auf den Südgrat führt.
Wir brechen unseren Versuch ab und seilen uns bis ins Camp I ab. Es hätte keinen Sinn gemacht weiter zu klettern, denn mit dem Haulbag und dem vielen Material wären wir zu langsam gewesen - wir hätten unseren geplanten Biwakplatz nicht erreicht und das Essen wäre uns ausgegangen, bevor wir einen Gipfelversuch hätten wagen können. Wir beschließen am nächsten Tag einen Rasttag im Camp I zu machen.

30.09. Um drei Uhr morgens stehen wir auf. Es ist eisig kalt und unser ganzes Material ist eingefroren. Wir schmelzen Wasser, dann wärmen wir unsere Bergschuhe über dem Gaskocher und dann geht es los...

Ohne dem Haulbag sind wir sehr viel schneller und als die Sonne die umliegenden Gipfel zum Glühen bringt, sind wir schon am Anfang des Eiscouloirs. Ich steige vor und meine Erwartungen werden nicht enttäuscht. Das Eis – eigentlich vereister Schnee – ist butterweich. Jeder Schlag mit dem Eisgerät sitzt, aber Eisschrauben sind überflüssig. Sie würden einen Sturz nicht halten. Hin und wieder kann ich eine Sicherung im Fels anbringen, aber weite Runouts stehen an der Tagesordnung. Auch der Spindrift steht an der Tagesordnung. Alle paar Minuten muss ich meinen Kopf einziehen und die Schneedusche bei -25°C über mich ergehen lassen. Kurz vor Mittag steige ich dann aber endlich auf den Südgrat. Ein paar Felsaufschwünge im 6. Grad und ich befinde mich im Gipfelschneefeld.

Einatmen, Hinsteigen – Ausatmen, Duchdrücken. Der nächste Schritt: Einatmen, Hinsteigen – Ausatmen, Duchdrücken. Es ist ein zäher Rhythmus, doch jeder Schritt bringt mich ein wenig höher und um kurz nach ein Uhr Nachmittag stehe ich dann endlich zusammen mit Stef, Denis und Rob am Gipfel des Cerro Kishtwar. Es ist mein erster 6000er und eine geniale Erstbegehung.

Wir nennen unsere Route „Yoniverse“, die wir ohne Bohrhaken im Alpinstil erstbegangen haben und nach fast einer Stunde beginnen wir mit dem Abseilen. Kurz bevor es dunkel wird erreichen wir unser Camp I und am nächsten Morgen seilen wir uns weiter ab bis ins ABC und tragen unser gesamtes Material zurück ins Basecamp.

Weitere Photos von unserem Fotograf Stefan Schlumpf gehen in den nächsten Tagen online.

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