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23.04.2013

Ein Ass gezogen – Erstbegehung am Moose's Tooth

The cards were played and we had drawn aces. Finally, I collapsed into prone paralysis. Just before unconsciousness, the memorable words of French climber Jean Afanasieff came to mind: “This is the fucking life, no?”

Jim Bridwell über den ersten Abend im Basislager nach seiner Erstbegehung am Moose’s Tooth.

Erstbegehung am Moose's Tooth, Alaska

Vor mehr als 30 Jahren gelang Jim Bridwell und Mugs Stump eine Glanztat. Mit ihrer Erstbegehung, "The Dance of the Woo-Li Masters", zeichneten die zwei Legenden eine Linie im perfekten Stil auf die Ostwand des Moose’s Tooth in Alaska. Kaum etwas an Material blieb zurück und doch hinterließen die Beiden eine unmissverständliche Botschaft an dieser kalten und abgelegenen Wand, die die Idee von Begehungen an Bergen dieser Größe und Schwierigkeit in den kommenden Jahrzehnten prägen sollte.

Jetzt hänge ich in dieser Wand. Die Morgensonne brennt mir auf den Rücken und trotzdem ist es saukalt. Seit über einer Stunde kämpft sich Dani den vereisten Riss links oberhalb von mir hinauf. Ich stehe am Standplatz und halte das Seil hinter meinem Sicherungsgerät in meiner rechten Hand während ich die Finger meiner Linken durch langsames Durchkneten versuche aufzutauen.

„Glaubst du schon wir kommen da hoch?“, höre ich meinen Schweizer Kollegen plötzlich von oben herunterschreien. Ich zögere kurz und überlege. Auch bei mir kommen für ein paar Sekunden Zweifel auf. Ist diese Headwall vielleicht doch eine Nummer zu groß? Eine kühne Linie ist es auf jeden Fall, die wir uns hier vorgenommen haben, aber ich habe das Gefühl, wie Bridwell und Stump, können auch wir unsere Ideen hier verwirklichen. Wir müssen uns lediglich ein wenig mehr auf die Zehenspitzen stellen, uns strecken und selbst auf das Level der Schwierigkeiten wachsen.

Wie vor ein paar Monaten in Patagonien war auch hier im hohen Norden Amerikas das Wetter bei unserer Ankunft perfekt. Lediglich ein paar Wolkenfetzen verhüllten die Berge während wir mit einem kleinen Flugzeug auf den Buckskin Glacier flogen. Am gleichen Abend noch verschwand der Nebel – das Wetter wurde noch besser und nicht schlechter, wie im Süden Südamerikas – und wir sahen das erste Mal das kompakte und steile Herz aus Fels an der Ostwand des Moose’s Tooth. Bislang hatte es noch niemand geschafft eine Linie durch diesen Wandteil zu ziehen – wir wollten es auf jeden Fall versuchen...

Bevor wir einen Versuch starten wollten, war es jedoch wichtig die Wand genau unter die Lupe zu nehmen. Wir zogen unser Klettermaterial mit einem Schlitten vom Basecamp bis an den Fuß des Berges und analysierten unsere geplante Aufstiegsroute mit dem Fernglas. Uns war bewusst, dass es unsere erste Tour in Alaska sein würde und gerade diese Wand ist berüchtigt für allerlei „alaskanische Spezialitäten“, wie zum Beispiel riesige Schneepilze oder gigantische Mengen an Spindrift. Andererseits war uns auch klar, dass unsere Unvoreingenommenheit die Frechheit mit sich brachte die für eine Wand dieser Dimension immer nötig ist.

Am Tag darauf stiegen Dani und ich ein.

„Am ersten Tag drehen wir sicher nicht um!“, entgegne ich auf Danis Frage, senke meinen Kopf und beobachte unsere Halbseile, wie sie langsam aber stetig durch meine rechte Hand und weiter durch mein Sicherungsgerät rutschen. Dani scheint wieder vorwärts zu kommen und nach einer weiteren halben Stunde findet er zwei Klemmkeilplacements, die gut genug sind um daran Stand zu machen.

Ich steige die Seillänge hinterher. Dann sichere ich Dani eine weitere Länge. Sie ist kein bisschen leichter: Pendelquergänge, 90? steiles und extrem dünnes Eis, schwieriges Mixedgelände – die Kletterei ist enorm anspruchsvoll und von jeder Zwischensicherung wegzusteigen fordert unsere ganze Konzentration.

Nach den zwei Seillängen ist Dani fertig und ich übernehme wieder die Führungsarbeit. Ich bin zwar auch schon ziemlich müde vom unteren Teil der Route, den ich vorgestiegen bin, aber wenn wir eine Chance haben wollen morgen auf den Gipfel zu kommen, müssen wir heute noch ein paar Seillängen hinter uns bringen, bevor es dunkel wird.

Erstbegehung am Moose's Tooth, Alaska

Es dämmert schon als wir unser Zelt aufstellen. Mehr als die Hälfte davon ragt über die Kante von unserem kleinen Schneepodest, doch es wird uns heute Nacht vor dem eisigen Wind und dem unangenehmen Spindrift schützen.

Am nächsten Morgen begrüßt uns wieder perfektes Wetter. Laut unserer Vorhersage soll es aber nicht mehr all zu lange halten und so beschließen Dani und ich unsere gesamte Biwakausrüstung hier zu lassen. Lediglich ein paar Müsliriegel, ein Liter Wasser und ein wenig Reepschnur zum Abseilen kommen in den Rucksack. Wie Bridwell hoffen auch wir darauf zwei Asse zu ziehen.

Nach drei Längen befinden wir uns unter einem großen Dach. Dani ist bis hierhin vorgestiegen, kommt jetzt jedoch nicht an den riesigen Schnee-Mushrooms vorbei, die bedrohlich über uns hängen. Ich lasse ihn zu mir herunter, wir wechseln die Seile und ich versuche die heikle Stelle. Mit zwei Pendelquergängen gelingt es mir das Dach zu umgehen. Wir queren nach rechts und können die Ausstiegseisfelder schon erahnen. Davor wartet jedoch ein weiteres, noch viel größeres Dach, das wir rechts umgehen wollen.

Über nicht allzu schweres kombiniertes Gelände steige ich bis unter einen großen Schneepilz und quere dann zwei, drei Meter nach rechts, bevor ich vorsichtig neben ihm hoch klettere. Das Schneegebilde sieht extrem instabil aus und mir ist klar, dass ich es auf keinen Fall berühren darf. Als ich fast schon darüber bin, kann ich endlich wieder eine gute Zwischensicherung legen, an der ich mich festhalte und mein rechtes Eisgerät auf einer kleinen Leiste platziere. Gerade als ich meinen Pickel belasten möchte bricht ein Teil der Leiste aus. Sofort fange ich mich mit meiner linken Hand in der Sicherung, doch berühre ich auch den Schneepilz leicht, der darauf hin einstürzt.

Hunderte von Kilogramm an Schnee fallen auf meine Seile und ziehen mich nach unten. Meine Zwischensicherung hat gehalten, und auch Dani ist nichts passiert, wenngleich das Gewicht des Schnees einen unserer Standhaken rausgezogen hat.

Nachdem Dani den Haken wieder reingeschlagen hat, klettere ich weiter und nach zwei Seillängen erreichen wir endlich den Beginn der Eisfelder die zum Gipfel führen. Um 18:00 stehen wir gemeinsam am höchsten Punkt des Moose’s Tooth.

Wir können kaum glauben, dass uns mit gleich unserer ersten Route hier in Alaska eine derart traumhafte Linie gelungen ist. Vor ein paar Tagen waren wir noch daheim und jetzt stehen wir am Gipfel dieses imposanten Berges. Aber bevor es wirklich vorbei ist müssen wir erst mal wieder runter, zurück ins Basecamp. Es beginnt eine lange Abseilfahrt über unsere Route. Weil wir größtenteils an Eissanduhren abseilen, hinterlassen wir kaum Material. Wir sind überglücklich mit unserer Linie, die wir Bird of Prey (1500m, 6a, M7+, 90°, A2) taufen und ich glaube, dass wir mit ihr der Idee Jim Bridwells und Mugs Stumps vom Bergsteigen an dieser Wand gerecht worden sind.520

Erstbegehung am Moose's Tooth, Alaska

48 Stunden nach unserem Aufbruch sind wir wieder im Basislager, fix und fertig. This is indeed the fucking life, Jim!

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