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17.08.2018

Betrifft: Alleingang

David Lama am Lunag Ri

Wie schon 2015 war ich auch 2016 wieder mit Conrad Anker am Lunag Ri in Nepal. Schlussendlich aber stand ich allein vor der Wand und rang mich durch zur Entscheidung, solo einzusteigen.

Als Kolumne 2016 erschienen im Magazin Bergwelten

Dass es am Lunag Ri zu einem Versuch ohne Conrad kommen würde, war sicher nicht geplant. Wie schon letztes Jahr wollten wir zusammen auf den unbestiegenen 6.900m hohen Berg in Nepal klettern. Während der ersten Schönwetterperiode starteten wir einen Versuch doch nach nur fünf Seillängen spürte Conrad plötzlich extreme Schmerzen im Brustbereich. Wir seilten sofort ab und riefen einen Hubschrauber der ihn vom Wandfuß ins Krankenhaus nach Kathmandu brachte. Diagnose Herzinfarkt. Nach einer Notoperation war er wieder auf den Beinen und reiste nach Hause.

Mit dem Wissen, dass es Conrad wieder besser ging und er nicht mehr zum Berg zurückkehren würde, gepaart mit dem anhaltendem Hochdruck, fasste ich den Entschluss alleine einzusteigen. Ich glaubte fest daran, eine faire Chance auf den Gipfel zu haben.

Über steile Schnee- und Eisflanken kletterte ich am ersten Tag seilfrei unter den Nordostgrat. Den restlichen Tag verbrachte ich damit mir Gedanken über die verbleibenden 700 m bis zum Gipfel zu machen.

Meine Gedanken drehten sich im Kreis und immer wieder stolperte ich über die gleichen Fragen. Allein gibt es keine Möglichkeit sich abzulenken, indem man mit seinem Partner spricht. Ich beschäftigte mich mit Wasser kochen und trinken. In der Nacht kletterte ich weiter. Das Gelände wurde schwierig und diktierte den Rhythmus:

Solo klettern ist extrem aufwändig und mühsam sobald man anfängt sich selbst zu sichern. Wenn man nach dem Vorstieg Stand macht, muss man wieder abseilen um Sicherungen und Rucksack zu holen, bevor man die Seillänge zum zweiten Mal klettert. Dann geht’s im Vorstieg weiter. Es gibt also keine Pause in der sonst der Partner etwas tun würde.

Als ich endlich im zweiten Biwak ankam, war ich zwar nur noch 300 Meter unter dem Gipfel, aber dafür völlig erschöpft. Wenn ich am nächsten Tag weitersteigen würde, mir würden für den Abstieg die Kraftreserven ausgehen. Für mich ging es nicht mehr darum zum Gipfel zu steigen – das käme einem Selbstmord gleich – für mich ging es lediglich darum die Kraft aufzubringen gesund runter zu kommen.

Der Wille weiterzukämpfen ist am Berg oft von kritischer Bedeutung und gerade hier spielt der Partner eine entscheidende Rolle. Man ist gemeinsam unterwegs und deshalb ist jeder für die gesamte Seilschaft verantwortlich. Wer aufgibt, tut es nicht nur für sich selbst. Oft ist der gemeinsame Wille der einzig verbleibende Antrieb.

Am nächsten Tag machte ich mich an den Rückzug, der mühsam und höllisch anstrengend war, aber keine Überraschungen bot. Nach mehr als 20 Stunden kam ich im Lager am Wandfuß an, wo meine Freunde schon auf mich warteten. Alleingänge mögen wertvolle und intensive Erfahrungen sein, aber das „normale“ Bergsteigen können sie nicht komplett ersetzen: Es fehlt das gemeinsame Erleben am Berg und das Teilen der Verantwortung für’s Gelingen der Mission.

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